Lösungen für 3D-Scanning

Wie Artec 3D die Ukraine unterstützt

3D-Scans verbinden Kunst und Medizin: Emotionen zeigen trotz Gesichtslähmung

Als Vic McEwan, Artistic Director von The CAD Factory einsetzte, um das Gesicht eines Patienten mit Fazialisparese (Gesichtslähmung) zu scannen, wollte er in erster Linie die Krankheit erforschen. Er verwendete dabei den 3D-Streifenlichtscanner Eva von Artec 3D, der die verschiedensten Objekte und Oberflächen exakt erfasst. Eva arbeitet in allen Situationen präzise und zuverlässig – egal, ob er ein Kfz-Teil, eine Prothese, den Kopf eines Kindes scannt.

„Ich promoviere gerade und beschäftige mich dabei mit Gesichtslähmung und ihren Auswirkungen auf die Betroffenen. Letztes Jahr arbeitete ich deshalb mit einem Patienten und einem der weltweit führenden Chirurgen für Fazialisparese zusammen”, erzählt McEwan. „Zu Beginn setzten wir uns mit der Geschichte des Patienten auseinander und entschieden, erst einmal sein Gesicht zu scannen.“

Unterstützt von Artec Eva, setzt sich Vic McEwans Ausstellung „If They Spend the Time to Get to Know Me” im Tate-Liverpool-Museum mit den künstlerischen und emotionalen Aspekten der Gesichtslähmung auseinander. Quelle: Vic McEwan/The CAD Factory

1,5 Prozent der Bevölkerung erkrankt irgendwann einmal im Leben an Fazialisparese, einer Erschlaffung oder Lähmung der Gesichtsmuskulatur aufgrund einer Nervenfunktionsstörung. Die mangelnde Beweglichkeit der Gesichtsmuskeln, von der häufig nur eine Gesichtshälfte betroffen ist, kann angeboren sein oder in einer späteren Lebensphase auftreten. Häufig ist Fazialisparese die Folge eines Schlaganfalls oder Tumors; gelegentlich tritt sie auch als Begleiterscheinung einer anderen Krankheit oder Verletzung auf. Bei manchen Patienten verschwinden die Symptome wieder, während andere dauerhaft gelähmt bleiben. In vielen Fällen beeinträchtigt die Krankheit das Zusammenleben mit anderen Menschen, denn sie hat Einfluss darauf, wie diese den Betroffenen wahrnehmen: Der Patient hat nicht nur Sprech- und Sehstörungen, er sieht auch anders aus. Zudem verändert sich die Art und Weise, wie Gefühle im Gesicht ausgedrückt werden. An Gesichtslähmung erkrankte Menschen werden permanent angestarrt und leiden häufiger unter Depressionen.

Nachdem McEwan erstmals mit dem Scannen begonnen hatte, formte sich eine neue Idee in seinem Kopf. „Ich dachte, das 3D-Scannen und die 3D-Software würden die Gesichter nicht naturgetreu darstellen, aber das Gegenteil war der Fall: Die spannende Technik lieferte uns erstklassige dreidimensionale Bilder. Uns wurde klar, dass wir sie dazu nutzen könnten, um uns mit den emotionalen Aspekten der Krankheit auseinanderzusetzen“, so McEwan, der an der Universität Sydney promoviert.

Als McEwan das Angebot des Museums Tate Liverpool erhielt, seine Arbeit auszustellen, erweiterte er sein Konzept. „Ich wollte nicht einfach nur unsere bisherige oder aktuelle Arbeit zeigen. Ich wollte deutlich machen, dass es nicht nur um Menschen mit Fazialisparese geht, die Probleme mit ihrem Gesicht haben“, betont McEwan. „Es ist eine Gelegenheit, sich mit Menschen auseinanderzusetzen, und zwar in dem man sie scannt“.

McEwan begann, die gemeinsame Basis von Medizin, Technik und Kunst zu erforschen. Betreut wurde er dabei von Dr. Susan Coulson, einer der führenden physiotherapeutischen Spezialistinnen auf dem Gebiet der Gesichtsnervenlähmung und Mitbegründerin der Gesichtsnervenklinik in Sydney (Sydney Facial Nerve Service).

In der Zeit vom 3. bis zum 22. März 2020 sind die Besucher des Tate-Liverpool-Museums eingeladen, an der interaktiven, multidimensionalen Ausstellung von McEwan teilzunehmen: Ihre Gesichter werden mit Artec Eva gescannt und die Daten gleichzeitig in Artec Studio, einer Software für die schnelle 3D-Modellierung, verarbeitet. Parallel dazu läuft ein 3D-Drucker, der ein Gesicht nach dem anderen ausdruckt. Jeder Vorgang dauert etwa sechs Stunden. Eine Auswahl an 110 verschiedenen Hauttönen stellt sicher, dass für jede Person die richtige Pantone-Farbe gefunden wird – auch diese Art von Diversität ist Teil der Arbeit. Bis zum Ende der Veranstaltung möchte McEwan 100 Gesichter ausdrucken und an die Wand hängen. Gestartet hat er mit einigen seiner früheren Arbeiten.

Parallel zum Scan wird das Gesicht ausgedruckt – und als Teil der Ausstellung an die Wand gehängt. Quelle: Vic McEwan/The CAD Factory

Doch nicht nur die gescannten und gedruckten Gesichter, auch verschiedene Installationen verstärken den immersiven Charakter der Ausstellung: ein Video, in dem Patienten über ihre Erfahrungen beim Scannen sprechen; ein Arzt, der im Rahmen eines Audioprojekts gescannt und gedruckt wird, um auch die emotionale Belastung der Ärzte zu zeigen; und schließlich eine „Gesichtsnervenharfe“: Dieses Instrument ist auf das Modell eines Patientengesichts montiert und verleiht den Nerven, die sich nicht mehr äußern können, eine Stimme.

Fotografien an der Wand gestatten dem Besucher einen Blick hinter die Kulissen von Artec Studio und die Generierung der Daten. „Als ich meiner 9-jährigen Tochter Screenshots zeigte, sagte sie: Schau mal, die ganzen Gesichter, die aus Schmetterlingen gemacht sind!“, erinnert sich McEwan. „Es gibt [sogar in den Software-Daten] viele schöne Bilder, die fast schon poetisch sind.“

Medizinische Studien, Kunst und Technik werden miteinander verknüpft, um mehr über Gesichtslähmung zu erfahren. Quelle: Vic McEwan/The CAD Factory

Mithilfe der 3D-Scans lässt sich auch damit experimentieren, wie die Besucher an die Ausstellung herangeführt werden. Diese können sich nach eigenem Gusto mit den Kunstwerken beschäftigen: entweder als schnelle Betrachter oder als aktive Teilnehmer, die sich auf einer tieferen Ebene mit den Exponaten auseinandersetzen.

Unterstützt wird die Ausstellung vom britischen Artec 3D Gold Partner Patrick Thorn & Co., für den Gesichtsscans und medizinische Scans kein Neuland sind. „Wir haben Erfahrung mit dem Scannen von Gesichtern. Unter anderem haben wir die Ohren von Kindern gescannt und Implantate für die Ohrrekonstruktion gedruckt. Auch an forensischen und archäologischen Gesichtsrekonstruktionen haben wir mitgearbeitet”, erklärt Thorn. „Bei diesem Projekt war es beeindruckend zu sehen, wie Medizin und Kunst miteinander verschmelzen – ganz zu schweigen von der interkontinentalen Zusammenarbeit zwischen Australien und England!“

Auch mit zwei Ethikkommissionen musste McEwan zusammenarbeiten, um die Gesichtsscans der Patienten absegnen zu lassen: eine, die seine Arbeit in Sydney überwacht, und eine innerhalb der Universität.

Nach seiner Rückkehr in Sydney sollen laut McEwan alle Dauerpatienten gescannt werden, ebenso wie die beteiligten Ärzte. Diese Scans sind für einen größeren Rahmen gedacht: Zusammen mit seiner Doktorarbeit und den Ergebnissen weiterer, in den nächsten Jahren geplanter Forschungsarbeiten sollen die Kunstwerke im Tate-Museum irgendwann in einer abschließenden Ausstellung präsentiert werden.

Auf der Suche nach dem geeigneten 3D-Scanner und einer Begleitsoftware zog McEwan mehrere Optionen in Betracht. An Artec Eva gefielen dem Künstler nicht nur der nahtlose Arbeitsablauf und die Möglichkeit, die Scans kreativ zu nutzen. Auch die optische Wirkung der Scans fand McEwan interessant.

Künstlerische Darstellung des Gesichtsscannens. Quelle: Vic McEwan/The CAD Factory

„Ich habe mir alle möglichen Arten von 3D-Scansoftware angesehen, um die zu finden, die die schönsten Bilder produziert – und Artec Studio liebe ich. Das ist eine Software, deren Bilder ich dauernd kopieren und ganz groß ausdrucken möchte – weil sie einfach so schön sind.“

Als Vermittler zwischen Medizin, Kunst und Technik scannt McEwan die Gesichter der Menschen und fängt Emotionen ein, die häufig übersehen werden. Damit bereichert er die ohnehin auf Immersion und Inklusion ausgerichtete Ausstellung um ein neues Element.

„Ich begebe mich in die Welt der Medizin, in der es stets darum geht, alles wissen zu müssen. Eine Welt, in der Menschen Dinge sagen wie: ‚Was nicht messbar ist, ist keine Tatsache.‘“, erklärt McEwan. „Ich sage hier das Gegenteil: Das Nichtmessbare enthält so viele Informationen, die über das Klinische oder Praktische hinausgehen. Und diese Informationen brauchen wir, um uns gegenseitig zu verstehen.“